Circular Talks by CLIMATEX mit Robin Gnehm von Nikin

«Es geht nicht nur um Bäume, sondern darum, als Marke ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schaffen und Menschen zu inspirieren, nachhaltig zu leben.»

 

Baum für Baum in Richtung Kreislaufwirtschaft: Robin Gnehm hat mit seiner Schweizer Modemarke Nikin Millionen Bäume gepflanzt – doch das war erst der Anfang. Im Circular Talk by CLIMATEX erzählt der Mitgründer, wie aus der Idee zweier Naturburschen seit 2016 eine der nachhaltigsten Modemarken der Schweiz wurde und welche Projekte rund um Kreislaufwirtschaft und Recycling ihn aktuell beschäftigen.

 

CLIMATEX: Nikin hat bis heute über 2’366’241 Millionen Bäume gepflanzt. Hättest du dir diese Zahl je träumen lassen? 

Robin Gnehm: Nein, ganz und gar nicht. Als wir anfingen, war es ein kleines Projekt ohne grosse Erwartungen. Ich war schon über den Verkauf von 20 Mützen überglücklich. Alles, was danach kam, war einfach unglaublich! Deshalb ist es heute manchmal wichtig, zurückzublicken und sich bewusst zu machen, was wir erreicht haben.

Wie ist die Idee zu Nikin entstanden?

Mein Geschäftspartner Nicholas Hänny – ein kreativer Kopf und echter Entrepreneur – und ich sind zusammen aufgewachsen und hatten schon früh den Plan, etwas Gemeinsames auf die Beine zu stellen. Als Nicholas mich zu einem ersten gemeinsamen Treffen für die Nikin-Idee einlud, war ich gerade aus Kanada zurückgekehrt. Inspiriert von der Natur und wollte ich etwas mit Bäumen und Wäldern machen – sogar das Logo einer Tanne hatte ich bereits im Kopf. So entstand bei einem gemeinsamen Bier die Idee, Produkte herzustellen, für deren Verkauf wir jeweils einen Baum pflanzen wollten. Es war uns wichtig, der Natur etwas zurückzugeben, und das Pflanzen von Bäumen war eine innovative Idee, die so noch niemand umgesetzt hatte.

 

«Unsere Aufgabe ist es, die Vorteile zirkulärer Produkte klar zu kommunizieren, damit alle verstehen, warum diese Produkte vielleicht etwas teurer sind, aber langfristig einen viel grösseren Einfluss haben.»

Robin Gnehm, Mitgründer Nikin

 

Ihr habt auch sonst vieles anders gemacht als andere.

Das stimmt. Wir haben sicherlich auch vieles zur richtigen Zeit richtig gemacht. Zum Beispiel haben wir von Anfang an auf E-Commerce gesetzt und einen eigenen Onlineshop betrieben, anstatt in den stationären Handel zu gehen. Stattdessen haben wir die Konsument:innen direkt angesprochen und unsere Geschichte erzählt. Die Leute fanden das spannend und so sind wir gewachsen. Mangels Erfahrung in der Textilbranche, haben wir uns entschieden, mit dem einfachsten Produkt zu starten: einer Wintermütze. Das Feedback war unglaublich. Alle fanden die Idee, einen Baum zu pflanzen, grossartig und wollten eine Mütze haben.

 

Wer pflanzt denn all die Bäume für euch?

Die Organisation One Tree Planted. Sie pflanzt für jeden gespendeten Dollar einen Baum in verschiedenen Projekten auf der ganzen Welt. Wir haben bereits über 2 Millionen Bäume gepflanzt, aber für uns ist der symbolische Wert noch wichtiger. Es geht nicht nur um die Bäume, sondern darum, als Marke ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schaffen und Menschen zu inspirieren, nachhaltig zu leben.

 

Wie hat sich euer grünes Bewusstsein entwickelt?

Um ehrlich zu sein, stand Nachhaltigkeit am Anfang nicht im Vordergrund. Wir fanden es einfach cool, Bäume zu pflanzen, weil wir Naturburschen sind. Irgendwann hat uns aber ein Kunde geschrieben, dass das Bäumepflanzen zwar eine nette Idee sei, unsere Produkte aber im krassen Gegensatz dazu stünden, weil sie überhaupt nicht nachhaltig seien und in Asien produziert würden. Damals hatten wir noch keine Ahnung, was es heisst, wirklich nachhaltig zu handeln. Aber wir haben angefangen, darüber nachzudenken.

 
Zunächst mussten wir definieren, was Nachhaltigkeit für uns bedeutet. Wir haben schnell gemerkt, dass ‹nachhaltiger werden› ein Prozess ist, der nicht von heute auf morgen passieren kann.
 

Was habt ihr konkret gemacht?

Zunächst mussten wir definieren, was Nachhaltigkeit für uns bedeutet. Wir haben schnell gemerkt, dass «nachhaltiger werden» ein Prozess ist, der nicht von heute auf morgen passieren kann. Wir mussten viel lernen und konnten am Anfang auch nicht alles umsetzen, weil uns einfach die Mittel fehlten. Aber wir haben die richtigen Entscheidungen getroffen, denn uns war klar, dass Marken, die sich nachhaltig präsentieren, auch unter die Lupe genommen werden. Heute werden wir als eine der nachhaltigsten Marken der Schweiz wahrgenommen – es hat sich also gelohnt.

 

Die beiden Naturburschen und Nikin-Gründer Nicholas Hänny und Robin Gnehm beim Baumpflanzen und mit ihrem Team da, wo sie sich wohl fühlen: draussen in der Natur.

 

Wie hat sich eure Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt?

Durch die ständige Weiterentwicklung des Themas haben auch wir viele Phasen durchlaufen. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, bei dem nicht nur wir, sondern die gesamte Branche ständig dazulernt und sich an neue Erkenntnisse anpassen muss. Unsere Produktion findet heute hauptsächlich in Europa statt, mit einem Schwerpunkt in Portugal und Litauen. Einzige Ausnahme sind die doppelwandigen Metallflaschen, die aus China kommen, da es dafür in Europa keine Hersteller gibt. Transparenz in der Lieferkette ist und bleibt für uns ein zentrales Anliegen, weshalb wir mit Plattformen wie Retraced zusammenarbeiten, um die Herkunft der Materialien sichtbar zu machen.

 

Wo steht ihr heute?

Im Mittelpunkt steht heute die Kreislaufwirtschaft. Es geht darum, die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen besser zu nutzen und Abfälle zu minimieren. Wir haben uns hier stark engagiert, um diesen Wandel voranzutreiben. Unser Ziel ist es, bis 2030 zu 100 Prozent zirkulär zu produzieren. In den kommenden Jahren werden verschiedene gesetzliche Regelungen auf die Branche zukommen, und wir glauben, dass klare Vorgaben den Fortschritt fördern. Obwohl Nikin als kleine Marke derzeit von vielen gesetzlichen Regelungen nicht direkt betroffen ist, bereiten wir uns proaktiv auf zukünftige gesetzliche Anforderungen vor.

 

Kannst du uns Einblicke in einige deiner spannendsten Projekte geben?

Wir haben Verschiedenes in der Pipeline, das sich mit Recycling und Kreislaufwirtschaft befasst. Ein Beispiel ist die die Teilnahme am Projekt TexCircle der Hochschule Luzern, wo wir das Recycling von Garnen vorantreiben, und daraus neue Produkte entwickeln. Mit Ochsner Shoes arbeiten wir derzeit an der Entwicklung von zirkulären Schuhen. Für uns ist es wichtig, dass gerade grosse Unternehmen wie Ochsner Sport nachhaltige Entwicklungen mittragen.

Spannend ist auch das Projekt mit OceanSafe zur Entwicklung eines Cradle to Cradle Gold zertifizierten T-Shirts, das vollständig kompostierbar und immer wieder rezyklierbar ist. Am Ende seines Lebenszyklus kann es vollständig biologisch abgebaut oder in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden. Circular Design ist für uns der Schlüssel: Produkte von Anfang an so zu gestalten, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus wiederverwendet oder recycelt werden können.

 
Circular Design ist für uns der Schlüssel: Produkte von Anfang an so zu gestalten, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus wiederverwendet oder recycelt werden können.
 

Wie sorgt ihr dafür, dass eure Kundschaft die Produkte richtig zurückgibt und ihr diese recyceln könnt?

Teil unserer Cradle-to-Cradle-Zertifizierung ist ein Rücknahmeprozess. Im November dieses Jahres testen wir ein neues, innovatives Geschäftsmodell, indem wir unsere Kundschaft zu Materiallieferant:innen machen und Material zurückkaufen. Und zwar gegen Bargeld. Je länger die Produkte genutzt wurden, desto mehr zahlen wir dafür. Schliesslich wollen wir, dass die Produkte möglichst lange getragen werden. Dank eines angebrachten QR-Codes weiss unsere Kundschaft, wie und wo sie das Produkt retournieren können. Wir sammeln das zurückgegebene Material und schicken es an unsere Recyclingpartner, die es in den Kreislauf zurückführen.

 

Was ist eure grösste Herausforderung bei der Einführung zirkulärer Produkte?

Die Technologie hinter der Produktgestaltung so einfach und verständlich wie möglich zu erklären. Die Modeindustrie ist sehr komplex und viele Konsument:innen sind sich der Auswirkungen ihres Verhaltens nicht bewusst. Unsere Aufgabe ist es, die Vorteile zirkulärer Produkte klar zu kommunizieren, damit alle verstehen, warum diese Produkte vielleicht etwas teurer sind, aber langfristig einen viel grösseren Einfluss haben.

 

Die Tanne als Marken- und Erkennungszeichen des Lenzburger Unternehmens findet sich auf all den langlebigen Basics, für die Nikin bekannt geworden ist. Der Meilenstein von einer Million gepflanzter Bäume wurde 2021 erreicht.

 

Wie wirkt sich eure Nachhaltigkeitsstrategie auf eure Preise aus? 

Je nachhaltiger wir werden, desto mehr passen sich die Preise an. Ökologische Verantwortung bedeutet oft höhere – oder einfach realistischere – Entwicklungs- und Materialkosten. Wir glauben aber, dass unsere Preise für europäische Produktion mit nachhaltigen Materialien für die Endkund:innen sehr fair sind. Unser Verkaufsmodell ist D2C (Direct-to-Consumer), was bedeutet, dass wir keine zusätzlichen Margen durch Zwischenhändler verlieren. Dadurch können wir unsere Produkte zu einem niedrigeren Preis anbieten.

 

Wo geht die Reise von Nikin in Zukunft hin? 

Jetzt geht es um Nikin 2.0, mit dem Ziel, unsere Marke voranzubringen, weiterzuentwickeln und zu verfeinern. Wir wollen eine gute Basic Brand bleiben, die zeitlose, nachhaltige und langlebige Kleidung für alle entwirft – mit einem langfristigen, positiven Effekt auf die Natur.


nikin.ch

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