Circular Talks by CLIMATEX mit Nina Bachmann von Swiss Textiles

 

«Es muss auf Branchenebene eine systematische Lösung erarbeitet werden.»

Seit einer Dekade ist Nina Bachmann beim Branchenverband Swiss Textiles die Ansprechpartnerin für Nachhaltigkeit, Umwelt und Energie. Im Interview berichtet die Expertin über die zentralen Themen des Programms «Sustainable Textiles Switzerland 2030», die Notwendigkeit einer EPR-Lösung in der Schweiz und die Veränderungen in ihrer Rolle im Laufe der Jahre.

 

CLIMATEX: Du unterstützt Mitglieder:innen von Swiss Textiles bei ihren Nachhaltigkeitsbemühungen. In welchen Bereichen ist deine Expertise gefragt?

Nina Bachmann: Unsere Beratungsdienste umfassen eine Vielzahl von Themen: von der Implementierung von Nachhaltigkeitsstandards oder der Entwicklung konkreter Strategien, bis hin zu Webinaren über verschiedene Standards oder Recycling Tools. Früher lag der Fokus stark auf lokalen Produktionsstätten, aufgrund der internationalen Ausrichtung müssen unsere Nachhaltigkeitsstrategien heute allerdings die gesamte, globale Lieferkette berücksichtigen.

 

«Eine privatwirtschaftliche
EPR-Lösung auf Branchenebene ist der richtige Weg, da sie auf die Geschäftsbedürfnisse abgestimmt ist.»

Nina Bachmann, Verantwortliche Nachhaltigkeit und Technologie bei Swiss Textiles

 

Welche Themen beschäftigen dich und die Branche in diesem Zusammenhang?

Die Schlüsselthemen sind Transparenz entlang der Lieferkette, Kreislaufwirtschaft, Menschenrechte in der Produktion und die Reduzierung von CO2-Emissionen. Diese vier Bereiche bilden auch die Grundlage für unsere Beratungs- und Veranstaltungsangebote im Rahmen des Programms «Sustainable Textiles Switzerland 2030», bei dem wir als Trägerorganisation tätig sind. Zudem spielen Recyclingtechnologien und digitale Tools für Rücknahmesysteme eine zentrale Rolle im Bereich Technologie und wir sind in diversen Forschungsprojekten im Bereich Kreislaufwirtschaft involviert.

 

Wo gibt es am meisten Handlungsbedarf?

Die grösste Herausforderung liegt eindeutig im Bereich Kreislaufwirtschaft. Hier gibt es noch wenige etablierte Geschäftsmodelle, was zu zahlreichen Anfragen zu dieser Thematik führt. Zusätzlich steht – mit dem Green Deal als Basis – die EU Textile Strategy bevor, die speziell Zirkularität in der Textilbranche verlangt. Die 16 neuen Regelungen der EU Textile Strategy richten sich explizit an Herstellende von Bekleidungs- und Heimtextilien. Aber auch technische Textilien sind aufgrund der notwendigen Anpassungen bei Chemikalien betroffen. Das stellt einen bedeutenden Wandel für den für uns so wichtigen EU-Markt dar.

 
Die grösste Herausforderung liegt eindeutig im Bereich Kreislaufwirtschaft. Hier gibt es noch wenige etablierte Geschäftsmodelle, was zu zahlreichen Anfragen zu dieser Thematik führt.
 

 Wo werden zukünftig die Stärken des Schweizer Markts liegen?

Wir beobachten viele spannende Entwicklungen von Schweizer Akteuren im Bereich der biologisch abbaubaren oder PFAS-freien Materialien. Darüber hinaus sind Schweizer Start-ups führend bei digitalen Lösungen, welche die Zirkularität effizient gestalten. Sie bieten beispielsweise automatische Rücknahmesysteme für Online-Shops, Resale-Plattformen und Supply-Chain-Tools an, um das gesamte Lifecycle Management abzudecken. Zusätzlich gibt es Fortschritte für Recycling-Technologien, insbesondere im chemischen Recycling, bei dem Schweizer Unternehmen in der Forschung gut positioniert sind.


Das klingt, als ob bis 2030 noch einiges erreicht werden kann?

Auf jeden Fall! Es gibt bereits funktionierende Lösungen, die teilweise schon auf dem Markt sind, allerdings noch in kleinem Massstab. Hier kommt es nun darauf an, wie diese Innovationen aufgenommen werden. Der Markt ist riesig und diversifiziert, und für manche Bereiche wie Fast Fashion machen solche Technologien trotz grosser Innovationskraft keinen Sinn. Für andere hingegen ist es sehr sinnvoll, wenn wertvolle Inhaltsstoffe wiederverwendet werden können. Eine zentrale Rolle spielt hier vor allem auch das Verständnis und die Sensibilisierung der Produzenten für dieses Thema.

 

Was hörst du denn im Bereich Recyclingsysteme aus der Branche?

Die Thematik ist sehr herausfordernd. Es gibt diverse Start-ups, welche die Rücknahme erleichtern, aber ich glaube, es muss auf Branchenebene eine systematische Lösung erarbeitet werden. Wir arbeiten zurzeit an einem Projekt für eine erweiterte Produzentenverantwortung (EPR), bei dem die Rücknahme zentral organisiert und das Material zur Verwertung zurückgegeben wird. Ähnlich wie bei Elektronikartikeln oder PET-Flaschen. Das würde den Unternehmen helfen, die Rücknahme nicht selbst organisieren zu müssen. Ein breiteres Rücknahmesystem würde mehr Menge, bessere Verwertungsqualität und mehr Investitionssicherheit für Verwertungstechnologien bieten.

 

Welche Massnahmen sind erforderlich, um in diese Richtung zu gehen?

Zum einen müssen sich die Unternehmen intern Ziele setzen und beim Design anfangen, denn man muss sich von Anfang an fragen, welches Material man produzieren und auf den Markt bringen will. Das erfordert ein konsequentes Umdenken. Zum anderen müssen die Unternehmen für die Rücknahme und die Verantwortung nach dem Verkauf Kooperationen eingehen und Verbände für die Organisation des Systems gewinnen. Hier sind gute gemeinsame Lösungen gefragt, denn Rücknahme und Recycling gehören nicht zu den Kernkompetenzen der Textilunternehmen – und müssen es auch nicht. Diese sollten sich auf die Innovation neuer Materialien konzentrieren.

 

Wann könnte denn ein eine solche Recyclinglösung in Kraft treten?

Hoffentlich bald. Wir arbeiten aktuell mit einer Gruppe von Inverkehrbringenden an einer EPR-Lösung, damit Unternehmen die Möglichkeit haben, die Zukunft proaktiv mitzugestalten. Wenn wir abwarten, bis die Politik Vorgaben macht, könnten Firmen nur noch begrenzt mitreden. Andernfalls könnte es wie in Frankreich enden, wo der Staat vorgibt, welche Organisation die EPR-Regeln umsetzt und die Unternehmen kaum Mitspracherecht haben.

 
Wir arbeiten aktuell mit einer Gruppe von Inverkehrbringenden an einer EPR-Lösung zusammen, damit Unternehmen die Möglichkeit haben, die Zukunft proaktiv mitzugestalten. Wenn wir abwarten, bis die Politik Vorgaben macht, könnten Firmen nur noch begrenzt mitreden.

 

Glaubst du, dass solche Massnahmen auch in der Schweiz eingeführt werden könnten?

Persönlich finde ich es besser, wenn die Branche selbst dahintersteht und die Lösungen aktiv mitgestaltet. Eine privatwirtschaftliche EPR-Lösung auf Branchenebene ist der richtige Weg, da sie auf die Geschäftsbedürfnisse abgestimmt ist. Es ist gut, wenn die Politik einen gewissen Druck aufbaut, aber die Initiative sollte von der Branche selbst kommen. Der Wille der Unternehmen ist vorhanden, und ich bin überzeugt, dass wir das schaffen können.

 

In Deutschland und den Niederlanden gibt es bereits EPR-Systeme die unlängst Anträge bei der Regierung gestellt haben, weil grosse Online-Fast-Fashion-Plattformen, insbesondere aus China, sich nicht für diese registriert haben. Regierung und Zoll werden nun aktiv werden und eingreifen müssen, da die EPRs in diesen Ländern Pflicht sind und von der Regierung anerkannt werden. Wenn wir in der Schweiz eine EPR-Lösung hätten, müssten diese grossen Plattformen hierzulande ebenfalls unsere Verwertungssysteme mitfinanzieren.

Was wird dich in den kommenden Jahren beschäftigen?

Das Schwerpunktprojekt «Branchenlösung EPR» ist sicher ein Thema, das viele Ressourcen benötigen wird. Im Bereich Technologie möchten wir zudem Netzwerke stärken und relevante Tech-Player mit unseren Mitgliedunternehmen zusammenbringen. Denn eines ist klar, ohne Technologie wird es nicht gehen.

swisstextiles.ch

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